Düsseldorf. Weil ein Fanatiker einen Feuerwerkskörper geworfen hat, droht Torwart Georg Koch das Ende der Karriere.
In vier Monaten wird Georg Koch 37 Jahre. Das ist das Alter, in dem für die meisten Fußballer längst das Leben nach der Karriere begonnen hat. Georg Koch hatte sich das anders vorgestellt. Er ist Torwart, und Torhüter können ohnehin etwas länger spielen. Georg Koch würde gerne noch ein bisschen anhängen an seine Karriere. Ob es klappt, steht seit ein paar Wochen in den Sternen. Seit ein Knallkörper unmittelbar neben Kochs rechtem Ohr explodiert ist, kämpft der ehemalige MSV-Keeper um seine Karriere. Es ist kein leichter Kampf.
Denn es kann durchaus passieren, dass es nicht mehr reicht, nicht mehr weitergehen kann mit einem Platz zwischen den Pfosten. Das Deprimierende daran: Schorsch Koch wüsste nicht einmal genau, wer ihm das eingebrockt hätte. Irgendein fanatischer Fan von Austria Wien, so viel steht fest. Wer genau? „Keine Ahnung”, sagt Koch und es hört sich so an, als sei ihm bewusst, dass die Polizei diesen einen Verrückten, der ihm wochenlange Schmerzen und monatelange Zweifel beschert hat, nicht mehr ermitteln wird. Elf Randalierer hat sie damals festgenommen, elf Mann aus dem Mob, der hinter Koch herumtobte, als der Knallkörper flog. Aber wer geworfen hat?
Beim falschen Verein – und das als Deutscher
Wien im August. Das Stadtderby steht an, Rapid gegen Austria. Das ist kein Spiel wie jedes andere, das Stadion ist ausverkauft, die Fans sind verfeindet und in Österreich dürfen sie – anders als in Deutschland – trotz aller Bedenken bestimmte Arten von bengalischen Feuern mitbringen. Die Stimmung soll stimmen…
Diesmal sind keine sechs Minuten gespielt, da liegt Schorsch Koch, der seit Saisonbeginn das Tor von Rapid hütet, im Strafraum und windet sich vor Schmerzen. Aus der Austria-Kurve direkt hinter ihm ist der Feuerwerkskörper geworfen worden. Gezielt.
„Die hassen mich ganz besonders”, sagt Koch über den fanatischen Kern der Austria-Anhänger: „Ich spiele beim falschen Verein und ich bin Deutscher.” Unmittelbar neben dem rechten Ohr explodiert das Geschoss. Koch, ein Typ, der hart im Nehmen ist, wird behandelt, bricht dann in der Kabine zusammen.
Tagelang hat er mit den Folgen zu kämpfen: Erst ein Tinnitus, das dauerhafte Pfeifen im Ohr. Dann Gleichgewichtsstörungen. Bei Tests kippt Koch immer wieder nach rechts. Inzwischen ist er wieder hergestellt. Für den Alltag reicht es. Aber im Training, unter Belastung, wird ihm immer noch schwindelig. An ein Spiel ist nicht zu denken. Im Moment versucht es Koch in Düsseldorf mit einem Reha-Programm. Am Montag geht’s nach Wien zurück, zu den nächsten Tests. Wenn sich dann nichts bessert…
Sorgen um den MSV Duisburg
Koch macht sich da wenig vor: Je länger es dauert, desto geringer wird seine Hoffnung. „Vielleicht habe ich im kommenden Jahr viel Zeit”, sagt er mit einem Schuss Ironie.
Vielleicht. Dem Fußball möchte er schon erhalten bleiben. Es war ja alles längst geregelt: Georg Koch hatte beim MSV Duisburg einen Profi-Vertrag bis 2009 unterschrieben und sollte danach ins Management der Zebras einsteigen. Aber der Teufel lag im Detail, Koch geriet mit Präsident Walter Hellmich öffentlich aneinander und obwohl die Fans auf Seiten ihres Lieblings Schorsch standen, war’s der Anfang vom Ende. Koch musste gehen. Nach Zagreb, nach Wien.
Am MSV hängt er trotz des unrühmlichen Abgangs, er war der gefeierte Held beim Bundesliga-Aufstieg 2005, er war der überragende Mann in einem für die Bundesliga zu schwachen Team 2006. Und war noch einmal der Rückhalt beim Wiederaufstieg 2007.
In dieser Saison hat sich Koch ein paar Spiele angeschaut. Sein Fazit – bestenfalls durchwachsen. „Gegen Rostock habe ich beim 2:2 eine gute Mannschaft gesehen, in den anderen Partien nicht.” Was er vermisst: „Dass die Jungs rausgehen und mit dieser Brust auftreten, die dem Gegner zeigt: Wir gewinnen hier, denn wir wollen aufsteigen.”
Genau das war immer Georg Kochs große Stärke, der absolute Wille zum Erfolg. Den hat er in sich, von dem würde er auf dem Platz gerne noch etwas zeigen. Wenn’s denn noch einmal etwas wird. Falls nicht, bleibt Georg Koch ein Trost: Seine Karriere hat er gehabt, wechselhaft, lang, bestimmt nicht langweilig. „Ich bin”, sagt Georg Koch in diesem Zusammenhang erleichtert, „ja keine 26 mehr.” (NRZ)
[Quelle: Der Westen.de]